Von den Anfängen des Spielens im 1. Lebensjahr

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Von den Anfängen des Spielens im 1. Lebensjahr

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Veröffentlicht von Sabine Lesch-Kaiser in 1. Lebensjahr · Dienstag 24 Mär 2020
„Das Spiel ist die höchste Form der Kindesentwicklung.“
(Zitat von Friedrich Fröbel).

Als Mutter von 2 Kindern war ich immer wieder fasziniert, wie Kinder spielend ihre Welt entdecken. Anfangs durch ganz kleine Beobachtungen und später durch aufmerksames und sorgfältiges Ausprobieren.

Vor 17 Jahren plante ich meine ersten FABEL- Spiel-Kurse als GfG-Familienbegleiterin. In dieser Zeit beschäftigte ich mich intensiv mit den verschiedensten Spiel- und Förderungsmethoden im 1. Lebensjahr und der Entwicklungspsychologie des Kindes. Dabei bin ich auf das Konzept von Emmi Pikler gestoßen, welches gut auf die jeweiligen Entwicklungsstufen des Kindes eingeht.

Doch was bedeutet das „freie“ Spiel für ein Kind?

Zu den inneren und elementaren Bedürfnissen eines Kindes gehört das Spielen. Ein Kind beobachtet mit unendlichem Interesse seine Umgebung. Gerade in den ersten Lebensjahren findet es Freude daran, Gegenstände zu berühren und sie zu erkunden. Für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung ist das selbstständige, freie Spiel von besonderer Bedeutung. Durch die eigene Aktivität entscheidet das Kind selbst, womit es spielen möchte und spürt, dass es von ihm abhängt, ob es weiter experimentieren will. Es erwirbt dadurch seine eigenständige Kompetenz. Selbstinitiierte Spiele wie Versteck-Spielen bereiten Freude, stärken das Selbstbewusstsein und erregen Aufmerksamkeit. Weiterhin sind sie ein Zeichen von Vertrauen. Mit der Zeit werden diese Spiele zu einem Ritual und verstärken die Zusammenhörigkeit und die Bindung zwischen dem Erwachsenen und Kind.

Fällt es dem Kind zunehmend schwerer selbstständig zu spielen, wird eventuell die Abhängigkeit zum Erwachsenen verstärkt. Ständige Bespielung kann somit zu einem Verlust des freien Spiels führen und ist deshalb gerade im 1. Lebensjahr nicht empfehlenswert.

„Ein Kind anregen zu müssen, das glauben wir nur, weil wir zu wenig Ahnung davon haben, was jeder Mensch an Entfaltungsmöglichkeiten mit auf die Welt bringt.“ (Heinrich Jacoby)

Und wie kann man mit einem Baby im 1. Lebensjahr spielen und welche Spielsachen werden benötigt?

0-3 Monaten Säugling

Im Rahmen unserer Konsumgesellschaft sind viele Spielzeugtruhen von Geburtsbeginn gut gefüllt. Das hängt einerseits mit den Geschenken, welche zur Geburt geschenkt werden, aber auch mit den Werbeversprechen vieler Spielzeuganbieter zusammen. Oft werden Versprechen wie die bestmögliche Förderung oder als besonders wertvolles pädagogisches Lernmaterial gegeben. Doch gerade in den ersten Lebensmonaten benötigt ein Baby noch kein Spielzeug. Die interessantesten „Spielzeuge“ sind in dieser Zeit die eigenen Eltern, wenn durch zärtliche Berührung die erste Kommunikation beginnt. Der spannendste Augenblick entsteht, wenn dann der Säugling seine Hand erkennt. Er erlernt die Bewegungen seiner Arme, Hände und Finger unter Kontrolle der Augen zu koordinieren. Der Wechsel zwischen Öffnen der Hand und Schließen zu einer Faust bereitet die Fähigkeit zum Ergreifen, Festhalten und Loslassen von Gegenständen vor.

Spielzeug, das man im Blickfeld des Säuglings hängt, hindert ihn daran, seine Hände zu entdecken und lenkt seine Aufmerksamkeit immer wieder von ihnen ab. Gerade automatisierte Spielzeuge (z.B. Spieluhren mit Mobilefunktion) kann das Kind nicht berühren
und es bewegt sich unabhängig von seinen eigenen Bewegungen. Dadurch kann es keine echten Erfahrungen sammeln.

3. bis 6. Monat

Das erste Spielzeug kann man einem Baby geben, wenn es beginnt, seine Hände regelmäßig anzuschauen und mit ihnen spielt oder sich interessiert an seiner Umgebung durch Berühren von Gegenständen zeigt.

In diesem Alter ziehen zunehmend Spielsachen, die in der Nähe des Kindes gelegt werden, seine Aufmerksamkeit auf sich. Es kann Erfahrungen machen, indem es sie anguckt, berührt und danach greift. Seine Bewegungen sind anfangs unsicher und es kann die Entfernung des Spielzeuges nicht einschätzen. Deshalb kann es im Eifer passieren, dass das Spielzeug unabsichtlich wegstossen wird. Das Kind versucht jedes Spielzeug auf gleicher Weise mit einer umfassenden Bewegung in die Hand zu bekommen. Mit diesem Üben und Ausprobieren wird es im Laufe der Zeit häufiger danach greifen und immer geschickter dabei werden.

Das erste Spielzeug sollte deshalb ganz leichte Gegenstände sein z.B. ein Baumwoll- oder Seidentuch in einer Farbe, welches dem Baby interessiert. Wenn es das Tuch hält und betastet, fällt es nicht sofort aus der Hand und es braucht das Spielzeug nicht immer wieder aufzuheben. Deshalb kann sich das Kind damit länger als mit anderen Spielsachen beschäftigen. Fällt es einmal auf sein Gesicht, tut es aufgrund seines geringen Gewichtes, nicht weh. Durch Ausprobieren kann sich das Baby davon befreien und herunterziehen. Das erste gemeinsame Spiel „Verstecken“ entsteht und bereitet Groß und Klein Freude.

Spielzeuge, wie z.B. einen Federball, ein Püppchen oder Tiere aus Stoff oder Gummi, welches das Kind mit einer Hand mühelos teilweise oder ganz mit der Hand umfassen kann, können anschließend gegeben werden. Nimmt es diese Spielsachen ohne Schwierigkeiten auf, können flachere Gegenstände aus Stoff oder Holz, die nicht so einfach zu ergreifen sind, in seine Nähe gelegt werden.

Mit etwa 6 Monaten kann ein Kind mit Spielzeug, das mehr Gewicht hat, experimentieren. „Laute“ Spielsachen, wie z.B. quietschende Gummitiere, Rasseln, Würfel mit Geräuschen, haben eher den Nachteil, dass nicht beobachtet werden kann, welche Wirkung das Tun hat. Bei den Spielsachen mit einer unsichtbaren eingebauten Pfeife, die laute Geräuschen produzieren, hängt der auf Druck entsprechende Ton nicht von Material und Form ab (sichtbare und tastbare Eigenschaften des Spielzeugs), sondern von dem zufälligen Zusammendrücken des Spielzeug oder wenn sich das Kind unabsichtlich darauflegt. Der entstehende quietschende Ton kann dabei auch erschreckend sein.

Im Alter von ca. 5- 6 Monaten kann ein Baby eine Rassel schütteln und die Wirkung seiner Bewegungen beobachten. Nimmt es sie aber in den Mund oder von einer Hand in die andere, betastet oder klopft damit, kann es anfangs nicht erkennen, welche Bewegungen ein Geräusch hervorrufen und welche nicht. Bei einer Kugelkette hingegen werden gleichzeitig die Bewegung gesehen und der erzeugte Ton gehört.

Beginn des 2. Halbjahres bis 9. Monate

In diesem Alter wird dem Kind bewusst, dass es durch Bewegungen und Klopfen Töne
hervorrufen kann. Es klopft gern mit den unterschiedlichsten Dingen oder Händen /
Füße wiederholt auf den Boden und entdeckt dabei den Zusammenhang zwischen seinen Bewegungen und dem Geräusch. Das kann man an seinem Verhalten und Gesichtsausdruck erkennen. Wenn das Kind die Rassel schüttelt, dann wird sie während des Spiels angeschaut. Bewegt sie sich nicht, achtet das Kind auf die Stille. Dann wird die Rassel wieder angeguckt und erneut geschüttelt. Es freut sich über das Geräusch, lächelt und lacht. Spielzeug aus unterschiedlichsten Materialien (Stoff, Holz, Plastik, Metall) und abwechslungsreichen Oberflächen werden untersucht, Eindrücke gesammelt und unterschiedlichsten Töne durch Klopfen dieser Gegenstände hervorgerufen. Das Kind freut sich über die neuen Erfahrungen, kann sich aber auch über eine längere Zeit mit demselben Spielzeug beschäftigen. Es richtet seine Hand- und Fingerpositionen, so dass es den jeweiligen Gegenstand besser aufnehmen kann. Es interessiert sich auch für die Art und
Weise, wie Gegenstände herunterfallen und welche Geräusche es damit hervorrufen kann.

Nun beginnt das Spiel „Aufheben-Wegwerfen oder Fallenlassen-Wiedererlangen“. Diese Erfahrungen sind aus diesem Spiel besonders wertvoll.

Kann ein Kind kriechen oder krabbeln, können neue Spielsachen (Ball oder Kegel) gegeben werden, damit es bei diesem Spiel neue Erfahrungen sammeln kann (z.B. warum und wie rollt ein Ball).

ca. 9. bis 12. Monate

Im vierten Vierteljahr hantiert das Kind immer häufiger mit zwei Gegenständen. Anfangs hält es in jeder Hand ein Spielzeug und bringt dann beide miteinander in Verbindung oder schlägt sie wiederholt zusammen. Dabei wählt es gerne Gegenstände, welche die gleiche Form haben (z.B. zwei Würfel). Später legt es eine kleine Hohlform in eine größere oder lässt sie hineinfallen und nimmt sie wieder heraus. Das Kind legt häufiger mehr Dinge in dieselbe Schüssel, nimmt sie einzeln heraus oder kippt sie alle auf einmal aus. Dann werden Sachen gesucht, die einander zugeordnet werden können. Durch dieses Spiel kann das Kind immer sicherer abschätzen, was wo hineinpasst.

Die hier angegebenen Altersangaben sind natürlich nur Richtwerte. Jedes Kind ist einzigartig
und entwickelt sich individuell. Während Eltern ihr Kind beim Spielen aufmerksam beobachten, lernen sie zunehmend mehr auf die Bedürfnisse ihres Kindes einzugehen. Durch die sorgfältigen Beobachtungen können Eltern gut einschätzen, welches Spielmaterial in welchem Alter bzw. Entwicklungsstufe ihres Kindes benötigt wird.

Und wenn Sie das nächste Mal einem Kind beim Spielen Beobachten, denken Sie am besten daran:

Während ein Kind spielt, öffnet sich die Welt mit seinen Augen.
Sabine Lesch-Kaiser ©

Literaturhinweise:

"Mein Baby entdeckt sich und die Welt" von Monika Aly
„Laßt mir Zeit“ (Die selbstständige Bewegungsentwicklung des Kindes bis zum freien Gehen) von Emmi Pikler (Pflaum Verlag; 3. Auflage; ISBN 3-7905-0842-X)
„Von den Anfängen des freien Spiels“ von Éva Kálló und Györgyi Balog (Pikler Gesellschaft Berlin)


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